Zur Geschichte der Jahresköste

Von Joachim Lehmann, Kersten Krüger und Ingo Richter (*) 

Die Jahresköste der Kaufmannschaft zu Rostock hat jahrhundertealte Wurzeln. (*) Sie sind eingebettet in die vielgestaltigen Bräuche und Traditionen aus der Geschichte der nahezu acht Jahrhunderte alten Hanse- und Universitätsstadt. Kaufleute, Handwerker und Schiffer spielten in dem Gemeinwesen an den Ufern der Warnow immer eine entscheidende Rolle, sie verkörperten nicht nur das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt. Fußend auf diesem entscheidenden Fundament nahmen sie bewusst immer auch soziale Verantwortung wahr.

Hier spielen Traditionen eine wichtige Rolle. Traditionen geben Halt wie Identität und setzten Zeichen. So werden Traditionen bewusst gepflegt manchmal auch neu geschaffen. Die Rostocker Kaufmannschaft setzte mithin ein Signal, als sie nach der politischen Wende im Osten Deutschlands ihre Vereinigung unter neuen Bedingungen mit der Wiedereinsetzung der Jahresköste als gesellschaftliches Ereignis krönte.

Die bewusste Anknüpfung an hansische Traditionen sollte und soll deutlich machen, dass freies Unternehmertum sich nicht – wie schlichte Gemüter vermeinen und verkünden – in Profit und Konkurrenzkampf erschöpft, sondern sich der seit Jahrhunderten bestehenden gesellschaftlichen Verantwortung stellt.

Die nach einer mehr als fünfzig Jahre andauernden Zwangspause – vom Beginn des Zweiten Weltkriegs bis zum politischen Umbruch im Osten Deutschlands – Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts zu neuem Leben erweckte Jahresköste hat Vorläufer bis in das 14. Jahrhundert. Sie finden sich in den Rostocker Bruderschaften, Kompagnien und Gelagen der Riga-, Bergen-, Flandern-, Schonen-, Spanien- und Wykfahrer ebenso wie in Kaufmannsgilden und Handwerksämtern.

Mitte des 16. Jahrhunderts vereinigten sich in Rostock die Schonen- und Bergenfahrer zur Schiffergesellschaft. Das älteste überlieferte Statut dieser Gesellschaft, die Schiffer und Kaufleute in sich vereinigte, datiert aus dem Jahre 1566 und enthält auch Regularien für geselliges Verhalten. Jene eine Art Sittenkodex darstellenden Festlegungen wurden 1576 genehmigt und in einer Ordnung von 1714 erneut bestätigt.

Die kurze Zeit später gegründete Kaufmannskompagnie übernahm 1735 entscheidende Elemente der vorhergehenden Ordnungen und schrieb sie 1762 in einer Modifikation und schließlich 1867 in einem revidierten Reglement inhaltlich fort.

Nach der Reichseinigung wurden ab 1871 die Anliegen der Kaufmannskompagnie von der „Kaufmannschaft in Rostock“ weiter geführt, die dann als Zusammenschluss von Rostocker Geschäftsleuten unter „Korporation der Kaufmannschaft in Rostock“ firmierte.

Auf Initiative dieser Korporation mündeten die historischen Vorbilder mit einer Tradition seit dem Mittelalter zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die „Jahresköste der Korporation der Kaufmannschaft in Rostock“. Ihr Geist orientierte sich an Werten einer im wohlverstandenen Sinne konservativen Wirtschafts- und Sozialpolitik, in der Fürsorgeverpflichtungen ihren festen Platz hatten. Ganz bewusst knüpfte man an die überkommenen Traditionen von Gilden und Kompanien an. Damit wurden Zeichen eigener Identität gesetzt und auch Signale nach außen gesandt.

Der grundsätzlichen wirtschafts- und sozialpolitischen Orientierung des neuen Reiches ist die Gründung der Jahresköste der Korporation der Kaufmannschaft in Rostock im Jahr 1911 durchaus zuzuordnen. Auf der Vorstandssitzung der Korporation am 20. Januar 1910 kam die Sache erstmals auf die Tagesordnung. Im Protokoll hieß es dazu: „Einer vom Vorsitzenden vorgetragenen Anregung, ob nicht die Korporation, ebenso wie andere Handelsvertretungen, einmal im Jahre die Mitglieder zu einem Festmahle versammeln wolle, zu dem dann die Spitzen der Behörden eingeladen würden, wurde allseitig zugestimmt. Die Sache soll in der bevorstehenden Mitgliederversammlung zur Sprache gebracht werden.“

Die ordentliche Mitgliederversammlung am 25. Februar 1910 gab einstimmigen Beifall und überließ die weitere Vorbereitung dem Vorstand.

Dieser richtete eine Anfrage an die Handelskammer in Bremen wegen der berühmten, jährlich dort gehaltenen Schaffermahlzeit und beauftragte den Archivsekretär, Ludwig Krause, mit einer historischen Ausarbeitung über herausragende Festmähler in Rostock und anderen Hansestädten. Die Schaffermahlzeit in Bremen ist bis heute das wohl berühmteste Festmahl einer beruflichen Korporation, wiewohl sich ihr Gewicht vom Finanziell-Sozialen mehr zum Gesellschaftlich-Repräsentativen verlagert hat. Sie diente ohne Zweifel für die Rostocker Jahresköste als wichtigstes Modell.

Aus Hamburg und Rostock stellte Krause folgende Nachrichten zusammen:

Die feierliche Eröffnung eines Festmahles geschah im 17. Jahrhundert allgemein (sowohl beim Rat wie bei den Handwerksämtern) durch einen vom Vorsitzenden (worthaltender Bürgermeister oder worthaltender Ältermann) gesprochenen Gelagsgruß.

Damit war das grundlegende historische Material für die Neugründung einer Tradition der Rostocker Kaufmannschaft bereit gestellt. Galt die Bremer Schaffermahlzeit als Modell für die Veranstaltung, so wurde ihr Ablauf nach älteren Hamburger und Rostocker Vorbildern gestaltet.

Die Vorschläge wurden seitens des Vorstandes mit unwesentlichen Änderungen genehmigt. Danach soll das Essen, als „Köste“ der Korporation der Kaufmannschaft zu Rostock am 14. Januar 1911 im Grossen Gelag des Ratsweinkellers stattfinden. Es sollte bis auf die Getränke aus der Kasse bezahlt werden.

Die Einladungen ergingen Ende Dezember. Ausführlich berichteten die Rostocker Zeitungen darüber. Hier zunächst die Rostocker Zeitung vom 17. Januar 1911:
Jahresköste der Korporation der Kaufmannschaft 
Am Sonnabend Abend hat sich ein altes schönes Fest aus hanseatischer Zeit nach Jahrhunderten wieder erneut; und der Versuch mit dem Glanz auch den Geist dieser alten Feste bei uns wieder zu beleben, kann nur als durchaus gelungen bezeichnet werden. Würdiger konnten auch zu hanseatischer Zeit nicht die Tafelredner das berechtigte Standesbewußtsein des Kaufmanns vertreten, wie’s gestern die Schaffer taten in ihren Ansprachen, und fröhlicher hat man auch damals schwerlich nicht getafelt und gezecht. Das große Gelag des Ratskellers war unter der feinsinnigen Leitung des Maler-Architekten Willy Dreßler mit Fahnen, Bäumen und herrlichen Tierfellen prächtig ausgeschmückt worden. Die alten hanseatischen Farben rot-weiß beherrschten die Dekoration. In einem langen unten offenen Rechteck war die große Tafel aufgestellt. Unter schmetternden Fanfarenklängen zog Bürgermeister Geheimrat Clement an der Spitze der 4 Schaffer ein und nahm unter dem roten Baldachin zwischen den Vertretern des Rats und der Bürgervertretung Platz. Nachdem Bgm. Clement den Schaffern die für sie gestifteten alten Mustern getreu nachgebildeten Schafferstäbe überreicht hatte, ergriff er ein Gläslein „Lautertrank von Anno 1562“ und entbot den Anwesenden folgenden Gelagsgruß. 

Meine hochgeehrten Herren! 

Die Mitglieder-Versammlung der Korporation der Kaufmannschaft vom 27. Februar v. J. beschloß, ein Jahresessen zu veranstalten mit dem Zweck, ihre Mitglieder jährlich einmal zusammen zu berufen, um beim frohen Mahl denjenigen Gedanken Ausdruck zu geben, die unserer Kaufmannschaft besonders am Herzen liegen, um unseren Mitgliedern Gelegenheit zu geben, sich mehr wie sonst näher zu treten, und sie dadurch zu veranlassen, sich den Aufgaben unserer Korporation mehr zu widmen, diese auch nach außen hin energisch zu vertreten und unsern sonstigen Versammlungen einen kräftigeren Impuls zu verleihen. 

Der Vorstand beschloß dann, diesem Jahresessen einen gewissen offiziellen Anstrich zu geben, es in der am alten Brauch sich anlehnenden Form eines Gildenschmauses zu veranstalten. Er ließ in einer Abendversammlung vier Schaffer wählen, die mit der ganzen Ausführung der Veranstaltung betraut wurden, und die nun auf der heutigen „Jahresköste der Korporation der Kaufmannschaft“ Zeugnis ablegen werden, wie sie sich dieses Auftrages entledigt haben. 

Der außerordentlich zahlreiche Besuch bezeugt schon von vornherein den guten Anklang, den diese Veranstaltung bei unseren Mitgliedern gefunden hat, und so spreche ich die Hoffnung aus, daß die Jahresköste nicht nur von dauerndem Bestand sein, sondern daß sie sich zu einer nach außen hin immer mehr imponierenden Einrichtung unserer Korporation ausbilden wird. 

Altem Brauch zufolge eröffne ich die Jahresköste mit folgendem, vom Vorsitzenden stets zu sprechenden alten Willkommensgruß: 

Mit Ehren bün ik upgestahn,
Mit Ehren will ik wedder sitten gahn!
Ik gröthe dat goode Koopmansgelag,
Un jeden Koopmann, de doabi sien mag.
Ik gröthe de hoogen und leewen Gäst,
De uns de Ehr schenken bi de Jahresköst,
Gott gew uns een recht fröhlich Gelag
Un keenen Jammer up den annern Dag.
De Wirt schall uns gewen gooden Wien und Köst.
Sunst hall em de Düwel too gooder letz.
Sull nu Eener von mi too gröthen vergehten sien,
So wier ik jo een Bösewicht.
Dat bün ik nich:
Un ist ook Keener im ganzen Gelage nich!“

Laut Bericht des Rostocker Anzeigers erinnerte Bürgermeister Clement sodann an den Städtebund der Hanse, der von Amsterdam und Middelburg, von Köln bis Breslau und Krakau reichte; er erwähnte den Stahlhof in London, die Gesellschaft der Kaufleute zu Visby, den Petershof zu Nischny-Nowgorod, den Markt zu Brügge und schließlich an das Rostocker Stadtbild mit den sieben Türmen – eindrucksvolle Bilder der „Kraft des Bürgertums im Kampfe gegen die Gewalt der Fürsten“. Das war ein Bekenntnis zum alteuropäischen Stadtrepublikanismus, zu bürgerlichem Selbstbewusstsein.

Es wurde die Rindersuppe gereicht. Danach ergriff Bankdirektor Kästner das Wort. Gedanklich fuhr er mit dem Schiff von Warnemünde nach Rostock. Anerkennend beschrieb er die sichtbaren Zeichen der Moderne: 

Hier grüßen schon von weitem rauchende Fabrikschornsteine, hier entstehen industrielle Neubauten und lassen erkennen, daß auch die Industrie ein bedenkenswerter Faktor für Rostock geworden ist, selbst wenn kein Zweifel bestehe, daß die Blüte Rostocks auf innigste mit dem Gedeihen des Handels verbunden sei. Mit dem alten Wahlspruch hilf dir selbst, dann hilft dir alle Welt mahnte er Unternehmergeist an, setzte sich dann jedoch für Konkurrenzbegrenzung, das vormoderne Wirtschaftsprinzip, ein und forderte Solidarität des Handels: 

Und wir haben die Kraft, um uns und mit uns unsere Stadt vorwärts zu bringen, wir müssen sie nur erkennen und richtig verwenden, nicht aber in kleinlichen Konkurrenzkämpfen verzetteln. Gewiß, Konkurrenz muß sein, aber halten wir uns vor Augen, daß dieses Wort eigentlich ‚Gleichstreben, Miteinanderstreben‘ nicht ‚Gegeneinanderstreben‘ bedeutet. Lassen Sie uns unsere Geschäfte nicht mit kleinlichem Krämergeiste, sondern im Sinne des Königlichen Kaufmanns der Hansa betreiben. … Und wenn wir die kleinliche Scheelsucht, den Neid auf die Erfolge des andern in uns überwinden, wenn wir das Trennende in unseren Bestrebungen zurücksetzen hinter dem unendlich vielen, was uns gemeinsam ist, dann bilden wir einen Kaufmännischen Bund, eine Korporation, eine Hanse, die in der Blüte Rostocks ihren Erfolg sehen m u ß. Solidarität heißt das Schlagwort, das ich allen Kaufleuten zurufen möchte. 

Mit dem auf alte Art zubereiteten Grapenbraten kam nun das erste Hauptgericht auf den Tisch. Nach diesem Gang hielt der zweite Schaffer, Syndikus Dr. Heinrich Asmus, seine Ansprache. Zwar blicke Rostock stolz auf die Hanse und bürgerliche Selbstverwaltung zurück, doch sei der Kaufmann jetzt ins Hintertreffen geraten. Er solle sich mehr der Vertretung seiner Interessen widmen und mit dem gesunden Egoismus, der seine Berufsgenossen zur Zeit der Hanse ausgezeichnet habe, seinem Stande auch im öffentlichen Leben wieder die Stellung zu schaffen helfen, die ihm in einer See- und Handelsstadt zukomme. 

Als Zwischenmahlzeit gab es jetzt Hummer mit Butter. Danach sprach der dritte Schaffer, Kaufmann Dr. Hermann von Knapp. Er erinnerte an den Jammer der politischen Zustände des Reiches im Mittealter, als ein machtvoller, zielbewußter Zusammenschluß, den Handel zu kaum geahnter Blüte emporführte. So müssten sich auch heute im neuen Deutschen Reiche Handel und Gewerbe, gedrängt durch die Nöte der Zeit, sich zu weit ausgreifenden Berufsorganisationen zu Schutz und Trutz in den Wirtschaftskämpfen der Gegenwart zusammenschließen. Auch er hatte sich von liberaler Wirtschaftsordnung freier Konkurrenz entfernt und plädierte abschließend für verstärkte Gruppenidentiät: Näherem Zusammenschluß und Hebung des Standesbewußtseins soll in gewissem Sinne auch die heute abend in launiger Weise vollzogene Gründung unserer alljährlichen Kaufmanns-Köste dienen.

Der nächste Gang des Festmahls bestand aus vielerlei Gemüse – Erbsen, Blumenkohl, Wurzeln, Spargel und Pilze –, dazu Rauchfleisch, gebratene Poularden, Lachs und Hering. Nach diesem Genuss lobte Kaufmann Adolf Heinrich Kruse, der vierte Schaffer, in seiner Rede die – noch abwesenden – Frauen. Als Nachtisch wurden Plumpudding – brennend wie in England üblich -, Käse und Obst aufgetischt. Den Weinen – deutschen und französischen wie schließlich dem spanischen Alikantewein – wurde reichlich zugesprochen. Nach dem Festmahl kamen die Damen herein. Mit ihnen begann ein fröhlicher Tanz als Ausklang der ersten Jahresköste der Korporation der Kaufmannschaft in Rostock.“ 

Das neu geschaffene, bewusst traditionell gestaltete gesellschaftliche Ereignis war ein großer Erfolg und übertraf alle Erwartungen. Bereits im folgenden Jahr musste der Vorstand wegen des großen Andrangs die Teilnahme begrenzen. Unterbrochen nur von Kriegs- und unmittelbarer Nachkriegszeit 1915-1920, fand die Jahresköste bis 1941 statt. Als gewollte Tradition hatte sie sich gewiss von den wohltätigen Anliegen ihrer Modelle – der Schiffergesellschaften wie Kompanien der Kaufleute und Krämer sowie der Handwerksämter – entfernt. Sozialfürsorge war längst eine öffentliche Aufgabe der modernen Daseinsvorsorge geworden. Aber die Jahresköste diente wirksam als Mittel der Findung und Festigung einer spezifischen Identität einschließlich ihrer nach außen sichtbaren Demonstration. Organisierte und Zeichen setzende Organisationen gruppenspezifischer Interessen gehören zur modernen Demokratie. Sie fanden Modelle in der Geschichte, die sie bewusst in eine rückwärts verlängerte Tradition einbanden.

Die Jahresköste vereinte von 1911 an bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs bedeutende Vertreter des wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens der Stadt Rostock. Dabei war sie immer auch Anlass und Ort des Austausches zwischen Wirtschaft und Politik.

Nach ihrem erzwungenen zeitweiligen Ende im Ergebnis des Krieges und den damit verbundenen Entwicklungen im Osten Deutschlands wurde die Jahresköste zu Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit neuem Leben erfüllt. Ihrer Verantwortung bewusste Vertreter des Rostocker Wirtschaftslebens verfolgten mit diesem Schritt das Ziel, das wirtschaftliche, kulturelle und historische Ansehen der Stadt über die Region hinaus zu vermitteln und zu befördern sowie Kontakte zum Wohle ihrer Menschen auf- und auszubauen. Aus ihrem gemeinnützigen Selbstverständnis heraus unterstützt die Jahresköste der Kaufmannschaft kulturelle und soziale Vorhaben in Rostock.

Die traditionsreiche Veranstaltung tritt seit 1995 wieder als große Jahresköste an die Öffentlichkeit.

Die Traditionen bürgerlicher Selbstbestimmung – politisch wie wirtschaftlich – gehören zu den wertvollen, wiewohl häufig unterlegenen Entwicklungslinien der deutschen wie europäischen Geschichte. Der daher stammende Wahlspruch – Hilf dir selbst, dann hilft dir alle Welt“ – hat an Aktualität nichts eingebüßt. So war es nur konsequent, dass nach der Wende, nach der Überwindung der deutschen Teilung und mit Rückbesinnung auf die bürgerlichen Tugenden selbstverantwortlicher Eigeninitiative die Jahresköste wieder begründet wurde.

Für jede Generation ist die Gestaltung der Gegenwart für die Zukunft eine stets neue Herausforderung. Sie erfolgt auf der Grundlage von Erkenntnissen der Vergangenheit.

Der Prozess des Zusammenwachsens von Ost und West, der zwar nicht ohne Reibungsverlust vor sich geht, wird als Herausforderung angenommen und mit großem Elan besonders von den Bürgern im östlichen Teil Deutschlands als Chance für die Zukunft ergriffen.

In diesem oft spannungsreichen Prozess zwischen Ost und West bleiben manche Initiativen auf der Strecke, andere werden mit Nachdruck in die Tat umgesetzt.

Eine Gruppe Hamburger und Bremer Kaufleute um Nikolaus W. Schües, Horst Rahe, Lars M. Clasen, Claus Grobecker – erfahren im Umgang mit hanseatischer Tradition sowie Hans Ludwig Busch und Joachim Lehmann aus Rostock initiierten die Gründung eines Vereins.

Etwa zeitgleich und unabhängig davon und zunächst auch ohne Kenntnis voneinander besann sich eine Gruppe aktiver Rostocker Bürger um Ulrich Seidel, Axel Erdmann, Alfred Fricke, Udo Nagel, Hans-Werner Harrmann und Hans Peter Knutzen auf alte Rostocker Traditionen, forscht in den Archiven der Hansestadt und bereitet ebenfalls die Gründung eines Vereins vor.

Nach Kenntnisnahme voneinander wurde eine gemeinsame Sitzung einberufen, an der folgende Herren teilnahmen: Backes, Ballauf, Dr. Busch, Clasen, Erdmann, Esemann, Fricke, Grobecker, Harrmann, Knutzen, Dr. Lehmann, Nagel, Paarmann, Rahe, Ronneberger, Schües sen., Schües jun., Dr. Seidel, Sohr, Westenberger, Woydt.

Von Weisheit und Weitsicht geleitet entschlossen sich die Mitglieder beider Gruppen zum gemeinsamen Handeln und haben am 4. Mai 1994 die Korporation der Kaufmannschaft zu Rostock e. V. gegründet bzw. wiedergegründet – eine gelungene Synthese aus Ost und West.
Aus diesem Personenkreis werden 11 Mitglieder für den ersten Vorstand der Jahresköste der Kaufmannschaft zu Rostock in der Nachkriegszeit gewählt.
Es wurden Regularien erarbeitet und eine neue Satzung erstellt.
Die Gesamtzahl der Mitglieder begrenzte man auf 100 Herren.
Das jährliche Festessen wurde auf den Freitag nach dem Erntedank-Sonntag festgesetzt.
Weiterhin wurde beschlossen, während des traditionellen Festmahls eine Sammlung für einen gemeinnützigen Zweck in der Hansestadt Rostock durchzuführen.

(*) Diese Ausführungen folgen den an unterschiedlicher Stelle veröffentlichten Aussagen zur Geschichte der Jahresköste mit dem Ziel, eine konzentriertere Darstellung vorzulegen; vgl. Kersten Krüger: Gewollte Tradition. Die Gründung der Jahresköste der Rostocker Kaufmannschaft 1911, Joachim Lehmann: Zur Geschichte der Jahresköste der Kaufmannschaft zu Rostock und Ingo Richter: Zur Wiederbegründung der Korporation der Kaufmannschaft im Jahre 1994.